Kritik zu «Rede an die Menschheit» von yuri500
Sie hören die Rede an die Menschheit
Von Benjamin von Wyl
Sie wollten auf Details achten. Sie wollten über das Projekt der Gruppe yuri500 konstruktiv berichten, vielleicht sticheln. Sie wollten Requisiten, Spiel und Konzept bewerten. Sie haben sich für Vertrauen entschieden.
Es geht Ihnen gut. Sie sind vorerst sicher. Sie müssen schweigen. Sie beobachten, wer sich auffällig verhält. Sie gewöhnen sich an die Stimme. Die Stimme warnt und beschwichtigt. Sie vertrauen der Stimme. Dass Ihnen die Stimme so nah geht, liegt am Innenleben der Kopfhörer, die Sie aufhaben. Sie erinnern sich daran, wie Sie sie am Kassenhäuschen erhalten haben, wie freundlich, menschlich warm, die Stimme der Dame war, die Ihre Tasche entgegen genommen hat. Sie erinnern sich, wie Sie zeitlich etwas knapp durch den Eingang des Theater Roxy Birsfelden getreten sind. Über die Lautsprecher klang schon die Stimme: «Es kann nicht auf Sie gewartet werden.» Da war diese Stimme noch weit weg. Ein Gag, ein Gimmick, eine Flughafenansage. Sie haben die Stimme ignoriert. Dabei war es schon nicht mehr sicher. Sie haben sich jetzt auf die Stimme eingelassen. Die Stimme leitet Sie. Die Stimme bietet Halt. Sie ist monoton und artikuliert die einzelnen Worte zu stark, wie eine Bandansage. Wärme dringt durch und die Stimme ist so nah. Sie wissen, dass Ohren, im Gegensatz zu Augen, nicht geschlossen werden können.
Er kommt durch eine Kartonwand. Er schlägt sie nicht ein. Sie wird von Untergebenen abgetragen. Im Anzug sieht er würdig aus. Nicht wie Gewerbler und Lokalpolitiker, deren Schultern absacken. Er geht gerade. Sein Bart weist auf Reife, Mut, Führungskraft. Sein Bart ist gepflegt. Am Rednerpult benutzt er die Stimme. Die Stimme ist seine Stimme. Ihr Puls fällt. Sie vergessen Fragen und Unklarheiten. Wozu wurde ein Erdhügel in einem Keller aufgeschüttet? Es kommen Antworten. Sie haben keine erwartet. Sie kamen für eine künstle-rische Darbietung hierher. Er ist kein Politiker. Er strahlt als Mann aus dem Volk. Politiker reden nur und handeln nicht: Er steigt auf den Hügel. Er spricht eindringlicher. Feierlicher. Er spricht gerührt. Weil wir jetzt alle sicher sind? «Es wird immer Männer wie mich geben!» Er rührt Sie. Er lässt Sie die Gefahr vergessen. Das Kassenhäuschen. Dass Ihnen die Stimme so nah geht, liegt an der Angst, an den Aliens, an den Tests, am Stress. Alle Menschen mussten diese Flucht durchmachen. Sie ist jetzt vorbei. Sie kennen seine Gesten. Der Erdhügel ist ein Berg. Predigte Ihr Messias nicht vom Berg? Ist es der Berg Sinai? Wo Ihr Schöpfer den Menschen die Zehn Gebote gegeben haben soll. Sie kennen diesen Erdhügel. Sie kennen den Mann. Sie kennen ihn aus dem expressionistischen «Metropolis» (1925) und der Sci-Fi-Satire «Hitchhiker's Guide to the Galaxy» (1978). Sie kennen ihn aus dem Leben. Sie kennen ihn als Mel Gibson und als Harrison Ford. Das wirkt alles sehr vertraut. Sie vertrauen ihm.
Sie beschliessen, ihm zu vertrauen. Sie folgen ihm. Sie und alle anderen Menschen sind Eins. Sie sind er. Dass er besser gekleidet ist, dass er redet, dass er oben steht, das ist egal. Er ist Sie und Sie sind er. Sie kamen als Zuschauer, gar als Kritiker und er kam als Spieler. Er spielt mit Ihnen. Er lässt Sie zuhören, nicht zuschauen. Sie sind fasziniert. Sie lassen sich faszinieren. Es macht keinen Unterschied. Er ist Teil der Mensch-Heit. Sie sind Teil der Mensch-Heit. Sie sind ein Teil.