Kritik zu «Box Solution» von koikate

Here they come, them little boxes!


Von Nick-Julian Lehmann

Koitake scheitert mit «Box Solution. Oder wie Schrödingers Katze die Bilder erklärt» an ihrem eigenen Kunstanspruch, ermöglicht im Nachhinein jedoch einiges Nachdenken.

Viel wird gemutmaßt über das Ende der Welt. Es darf bezweifelt werden, dass sich Jemand finden ließe, der sich im Jahre 2012 den vielen Untergangsszena-rien entziehen konnte und diese mit dem Dauerzustand Krise nicht auf irgend-eine Weise in Beziehung gesetzt hätte. Die Plattform für Experimente Koikate hat sich dieser Diskurse für die Treibstoff Theatertage 2013 allesamt recht anschaulich und gewieft zu Eigen gemacht: als produktiver Zustand sollte die Krise verstanden, die Vorbereitungen für eine post-apokalyptische Schicksals-gemeinschaft getroffen und das Publikum zu einer Katastrophenübung eingeladen werden.

Gleich zu Beginn sieht man sich im komplett ausgeleuchteten Saal drei strahlend betörenden Performerinnen ausgesetzt, die sich inmitten eines idyllischen Picknicks den US-Amerikanischen Duck-and-Cover-Übungen der 1950er Jahre hingeben. Ein Schutz suchendes Wegducken vor der möglichen (atomaren) Katastrophe. Die Vorbereitung auf das Ende in eine belustigende Choreographie zu überführen, die auch den Abschluss der Performance bildet, wirkt schlüssig. Dazwischen zerfällt jedoch die angekündigte Stärkung der Selbsthilfefähigkeit des Publikums angesichts der kryptischen Abstraktion der meisten Szenen, inmitten massiger Styrroporlandschaft und austatterischer Sinnflut, in Bezuglosigkeit. Wieso muss beispielsweise eine Parabel über einen sterbenden Schwan die bis dahin ohne Sprache auskommende Performance aufbrechen? Nur um auf das vorsprachliche So-Sein der Dinge zu verweisen? Box Solution scheint darin exemplarisch dem krankhaften Duck-and-Cover der Performance-Art zu verfallen: dem ständigen Wegducken ins Verkünstelnde und Bedecken der Anliegen dahinter. Schade, um einige gelungene Moment-aufnahmen, wie die gewaltigen Styrroporeinbrüche, eine wirklich Groß dargebotene Neosoul-Nummer und der basslastigen Soundscapes zu den überdimensional projizierten Slow-Motion Sequenzen eines rennenden Geparden.

Es hätte im Ganzen mehr Vordergründigkeit bedurft, beispielsweise über den expliziteren Verweis auf Schrödingers Katze, die möglicherweise einen roten Faden hätte darstellen können. Denn Schrödingers Gedankenexperiment zur Quantenphysik überführt die Frage zu Leben und Tod in ein Paradoxon: Zusammen mit einem Geigerzähler, einem Hammer, einem Fläschchen Blau-säure und ein bisschen radioaktiver Substanz wird eine Katze in eine infor-mationsdichte Kiste gesetzt. Der Zerfall eines der radioaktiven Atome würde eine Kettenreaktion auslösen, die den Tod derselben auslöste. Ohne den Blick in die Kiste müsste die Katze von jemandem Außenstehenden als zugleich Tod und Lebendig beschrieben werden, da die Wahrscheinlichkeit des Zerfalls aufgrund physikalischer Gesetze gleich verteilt ist. Zugleich tot und lebendig sein? Keine Gewissheit darüber haben was geschehen wird? Unser Alltagsleben erträgt solche Grauzonen nur schwerlich. Die KünstlerInnen von Koitake wollen diese Grauzone scheinbar auf die Theaterbox übertragen, um darin die Möglichkeit einer nahenden Katastrophe zu veranschaulichen. Immer wieder rennt eine Performerin zur hinteren Tür, um den Blick nach Draußen in die Welt zu wagen, um zu überprüfen, ob sie noch da ist. Eine Katze, die Schrödingers Frage umgekehrt stellt: Wie wahrscheinlich ist die nahende Katastrophe, wie wahrscheinlich der eigene Tod? Jetzt, an diesem Ort! Man hätte sich mehr Mut zum nur scheinbar Banalen gewünscht. Angesichts der nicht unwahrschein-lichen Katastrophe hätte dies die Welt zumindest zugänglicher erscheinen lassen.