Kritik zu «Du kannst mich ruhig Frau Hitler nennen» von HOW TO MAKE FRIENDS
Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust!
Von Oliver Roth
How to make Friends bringen die Geschichte Eva Brauns auf die Bühne. Und versetzten dabei Geschichts- und Theateraffine in Zwiespalt.
Meine Historiker-Seele fühlt sich schon bei dem Titel angesprochen: Handelt es sich um ein tatsächliches Zitat Eva Brauns oder nicht? Auf dieser Schiene führt mich das Stück weiter: Ein (Hobby-)Forscher verliert sich bei seinen ad hoc Recherchen, mit denen er das Bühnengeschehen begleitet, in historischen Detailfragen: Ist Braun nun am 7. oder 8. Februar geboren? Damit gewährt er Einblicke in seine Gedankengänge und lässt mich am Geschichteschreiben mitleiden und mitkonstruieren. Das bedient die Detektiv-Abteilung in meinem Historikerhirn. Überhaupt stellt das Stück anregende geschichtsphiloso-phische Fragen, wie etwa nach der Banalität des Bösen (Hannah Arendt). Mir wird die Menschlichkeit Hitlers und Brauns sowie ihre Liebesbeziehung vor Augen geführt. Dadurch thematisiert das Stück die 'Normalität' der NS-Diktatur, des Krieges und gar der Massenvernichtung der Juden und das Allzumenschliche daran.
Hingegen bleibt meine Theater-Seele an diesem Abend unberührt. Sie wurde durch eine glatten Schauspielhaus-Inszenierung kaum zum schwelgen gebracht. Nach Schaukasten-Prinzip präsentiert mir die Gruppe eine lachende, hysterische, etwas schlampige und essgestörte Eva Braun in ihrem biederen Wohnzimmer, gespielt von Hanna Eichel. Als einziges Wagnis ver-suchte sich Braun als Kunstturnerin an Turnringen und fiel dabei aus zwei Metern Höhe auf den Boden. Autsch. Sonst klare Dialoge, Videoprojektionen von Gedenkstätten, Tanzeinlagen, etwas Melodramatik, der erwähnte Historiker als personifizierte Geschichtsschreibung. Überrascht wurde ich nie. Vor allem nicht als am Ende Wagners Ritt der Walküren eingespielt wird - zu einfach. Vielleicht greife ich das nächste Mal wieder zu einer unterhaltsamen historischen Biografie über Eva Braun, anstatt ins Theater zu gehen. Denn: Am Anfang war die Tat.